Mobilität neu erlernen.

Einsatzgebiete des BMW Reha Coaching Cars.

Mit speziell umgebauten BMW Fahrzeugen können Reha-Patienten nach Operationen oder Erkrankungen ihre Mobilität trainieren. Das Coaching Car hilft ihnen, ihre Selbstständigkeit zurückzugewinnen.

Seit Anfang 2023 bauen sechs angehende Kfz-Mechatroniker unter der Leitung von Johann Dendl am BMW Standort Dingolfing BMW X1 Vorserienfahrzeuge zu Reha-Fahrsimulatoren um. Diese umgebauten Fahrzeuge helfen Reha-Patienten, nach Operationen oder neurologischen Erkrankungen ihre Fahrtauglichkeit unter realistischen Bedingungen zu testen. Sie üben das Bremsen, Lenken sowie das Ein- und Aussteigen – begleitet von Therapeuten.

 

Die Auszubildenden entfernen alle Flüssigkeiten des Fahrzeugs und installieren anschließend die Simulations-technik wie Lenkmotor, Bildschirme und Not-Aus-Tasten. Eigens entwickelte Lösungen, z. B. Adapterplatten oder die Platzierung der Technik, sorgen für realistische Bedingungen.

 

Das Projekt fördert sowohl Teamarbeit als auch interdisziplinäres Denken. Neben den Kfz-Mechatronikern sind auch Auszubildende anderer Berufe wie Zerspanungs-mechaniker und Fahrzeuglackierer beteiligt. Jedes Jahr sollen bis zu vier dieser umgebauten Fahrzeuge an Reha-Kliniken in Deutschland ausgeliefert werden, um Patienten auf ihrem Weg zurück in den Alltag zu unterstützen.

 

Eines davon wurde Anfang Oktober dem Medical Park Bad Rodach übergeben. Dort soll es orthopädischen und neurologischen Patienten helfen, ihre Mobilität für den Alltag zurückzugewinnen.

Therapieleiter Gunter Hölig im Interview.

Herr Hölig, was macht die Reha im Medical Park Bad Rodach besonders?

Ich begleite die Entwicklung der Klinik in Bad Rodach nun seit mehr als 25 Jahren. Wir sind vor allem auf Patienten spezialisiert, die nach Hüft- oder Knieoperationen oder einem Schlaganfall zu uns kommen. Wir konzentrieren uns nicht nur auf die medizinische Behandlung, sondern wollen die Patienten wieder fit für den Alltag machen. Wir helfen ihnen, ein Stück ihrer gewohnten Selbstständigkeit zurückzugewinnen – sei es durch Mobilität, Bewegung oder das Erlernen alltäglicher Fähigkeiten.

Wie unterstützen Sie Ihre orthopädischen und neurologischen Patienten bei der Rückkehr in den Alltag?

Unsere Patienten kommen oft nach schwerwiegenden Operationen oder Erkrankungen zu uns. In der Reha lernen sie Schritt für Schritt, sich wieder in den Alltag einzugliedern. Das reicht von einfachen Gehübungen bis hin zu komplexeren Aufgaben wie Treppensteigen, Einkaufen oder Autofahren. Besonders das Training ihrer Mobilität steht dabei im Mittelpunkt, weil das der Schlüssel zu ihrer Unabhängigkeit und Teilnahme am gesellschaftlichen Leben ist.

Welche technischen Entwicklungen sehen Sie als wegweisend für die Rehabilitation der Zukunft?

Wir setzen auf hochmoderne Technologien, die intensive, wiederholte und aufgabenspezifische Trainings ermöglichen. Hervorheben möchte ich hier vor allem den Einsatz von Gangrobotern. Mit dem Einsatz dieser Roboter können Patienten in einer einzigen Therapiesitzung bis zu 1200 Schritte schaffen – im Vergleich zu etwa 80 Schritten, die ein Therapeut manuell in der gleichen Zeit mit dem Patienten durchführen könnte. Die Gangroboter bzw. Gangtrainer stützen sich auf das Prinzip der neuronalen Plastizität, bei dem das Gehirn durch Wiederholungen und präzise Bewegungen neue Nervenbahnen aktiviert und beschädigte Funktionen kompensiert. Solche Technologien sind ein Schlüssel, um Patienten gezielt und effektiv auf ihrem Weg zurück in den Alltag zu unterstützen.

Wie hilft das BMW Reha Coaching Car Ihren Patienten?

Mithilfe des BMW Reha Coaching Cars können unsere Patienten ihre Mobilität unter realen Bedingungen wiedererlernen. Vor allem für orthopädische Patienten, die sich nach einer Hüft- oder Knieoperation erst wieder an das Ein- und Aussteigen am Auto gewöhnen müssen, ist das Fahrzeug ideal. Aber wir trainieren natürlich auch das Fahren selbst – einschließlich der Überprüfung von Reaktionsfähigkeit und Bremskraft. All das geschieht unter fachärztlicher Aufsicht. Die Patienten können ganz ohne Risiko üben und ihre Fähigkeiten gezielt verbessern.

 

Wie profitieren neurologische Patienten, insbesondere nach einem Schlaganfall, vom BMW Reha Coaching Car?

Bei Schlaganfallpatienten geht es nicht nur um die körperliche Mobilität, sondern auch um das Wiedererlernen kognitiver Fähigkeiten. Viele Patienten haben Schwierigkeiten mit der Wahrnehmung und der Reaktionsgeschwindigkeit im Straßenverkehr. Das BMW Reha Coaching Car bietet eine realistische, aber sichere Umgebung, in der wir diese Fähigkeiten gezielt trainieren können. Sie lernen, mit verschiedenen Verkehrssituationen umzugehen, Hindernisse zu erkennen und ihre Reaktionen zu verbessern. So gewinnen sie Stück für Stück ihre Selbstständigkeit zurück – sei es auf der Straße oder im Alltag.

 

Gibt es Pläne, die Nutzung des BMW Reha Coaching Cars auf andere Patientengruppen auszuweiten?

Ja, das Konzept ließe sich durchaus auch auf andere Patientengruppen übertragen. Aktuell profitieren besonders orthopädische Patienten, etwa nach Hüft- oder Knieoperationen, sowie neurologische Patienten, wie etwa Schlaganfallbetroffene. Für die Zukunft könnten wir uns vorstellen, auch jüngere Patienten nach Unfällen oder solche mit seltenen Erkrankungen wie neuromuskulären Störungen intensiver in die Nutzung einzubinden. Dabei bietet das Fahrzeug nicht nur Mobilitätstraining, sondern unterstützt auch bei Alltagsfähigkeiten wie dem sicheren Be- und Entladen – ein wichtiges Thema, das wir bei vielen Patientengruppen adressieren können.

 

Ärzte melden eine zunehmende Zahl von Schlaganfällen. Welche präventiven Maßnahmen halten Sie für besonders effektiv?

Das ist richtig. Die Zahl der Schlaganfälle nimmt leider stetig zu – und es sind davon immer häufiger jüngere Menschen betroffen. Ursachen dafür liegen oft in unserem Lebensstil: Bewegungsmangel, Übergewicht, Bluthochdruck, Stress und ungesunde Ernährung zählen zu den größten Risikofaktoren. Aus unserer Sicht ist Prävention der Schlüssel. Wer sich regelmäßig bewegt, sich ausgewogen ernährt und Stress abbaut, kann das Risiko deutlich senken. Auch der Verzicht auf Rauchen spielt eine entscheidende Rolle. Leider wird Prävention oft unterschätzt, dabei könnte sie viele der jährlich etwa 270.000 bis 300.000 neuen Schlaganfälle in Deutschland verhindern oder zumindest hinauszuzögern. Ziel im Medical Park Bad Rodach ist es, während der Rehabilitation durch Aufklärung und gezielte Maßnahmen ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass ein gesunder Lebensstil einen enormen Einfluss auf die eigene Gesundheit hat.

 

Herr Hölig, wir danken Ihnen für das Gespräch.